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Tschechisches Nationaltheater in der Veveří-Straße
ŽEROTÍNOVO NÁMĚSTÍ
Das heute nicht mehr existierende Gebäude, in dem die erste feste tschechische Bühne der Stadt ihren Sitz hatte, stand an der Ecke des Ratwitplatzes (heute Žerotínovo náměstí) und der Eichhorngasse (heute Veveří). Die Genossenschaft des tschechischen Nationaltheaters in Brünn erwarb im Jahr 1883 das Gasthaus U Marovských und ließ den einstigen Tanzsaal zu einem provisorischen Theater umbauen. Die feierliche Eröffnung im November 1884 war für die tschechische Gemeinde Brünns ein herausragendes Ereignis. Die Bühne diente Opern-, Operetten- und Schauspielaufführungen in tschechischer Sprache, und das besondere Augenmerk galt tschechischen Autoren. Janáček besuchte regelmäßig die Vorstellungen des Brünner Nationaltheaters, schrieb Kritiken und war sogar mehrfach Mitglied der Genossenschaft, in deren Trägerschaft sich die Bühne befand. Im Jahr 1894 dirigierte er hier die Premiere seiner Oper Anfang eines Romans, in die Geschichte ging das bescheidene Theater jedoch am 21. Januar 1904 ein, als hier erstmals die Oper Jenůfa erklang. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude bei einem Bombenangriff beschädigt, und obgleich es wieder instandgesetzt und noch für einige Zeit genutzt wurde, traten die Kriegsschäden immer mehr zutage. Im Jahr 1952 wurde ein Teil des Hauses abgerissen, im verbliebenen Teil fanden sich nur noch Probenräume des Theaters. Im Dezember 1973 erfolgte der endgültige Abriss, bevor an dieser Stelle das sog. Weiße Haus errichtet wurde. Die zunächst nur als Provisorium gedachte Bühne hatte dem Brünner Nationaltheater am Ende 68 Jahre lang gedient. Ein neues Theatergebäude erhielt Brünn erst mit der Eröffnung des Janáček-Theaters (1965), wo heute die Ensembles der Janáček-Oper und des Balletts des Nationaltheaters Brünn ihr Domizil haben.
Der lange und sehnsüchtig erwartete Moment ist nun endlich eingetreten: das Nationaltheater hat den Künsten seine Pforten geöffnet! Dies bedeutet für Brünn und für ganz Mähren eine neue Epoche. Um dieser die größtmögliche Bedeutung für unsere Nation zu verleihen, haben wir uns entschieden, die Wochenschrift "Hudební listy" herauszugeben, welche während der Theatersaison zwar in knapper Form, doch unparteiisch und sachlich über die Oper wie über das Drama berichten soll, was in den Tageszeitungen aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist.
Aus der Proklamation auf dem Titelblatt der ersten Nummer der von Janáček begründeten und redigierten Zeitschrift Hudební listy (13. 12 .1884)