Z MRTVÉHO DOMU (AUS EINEM TOTENHAUS) JW I/11

Oper in drei Akten

Libretto von Leoš Janáček nach dem Roman "Aufzeichnungen aus einem Totenhaus" von F. M. Dostojewski

1927-28, rev. 1930 (Chlubna, Bakala, Zítek)

Uraufführung 12. 4. 1930 Brünn

Erstausgabe Universal Edition, Wien 1930 (Partitur und Klavierauszug), 1990 (Partitur, hrsg. von Charles Mackerras, John Tyrrell), 2017 (Partitur, Klavierauszug, hrsg. von John Tyrrell, kritische Edition)


  • Janáčeks letzte Oper entstammt wieder der russischen Literatur. Janáček verarbeitete darin einige Geschichten aus dem umfangreichen Roman, in dem Dostojewski seine Erinnerungen an die Gefängniswelt schilderte. Die Oper hat keine durchgehende Handlung, sondern ist vielmehr ein Mosaik aus Erzählungen der einzelnen Gefangenen, die ein einziger Gedanke verbindet - die Sehnsucht nach Freiheit.

"In jedem Geschöpf eine Funke Gottes" schrieb Leoš Janáček im Juni 1928 in die Kopfzeile der Partitur seiner neunten und letzten Oper Aus einem Totenhaus. Janáčeks Interesse an russischer Literatur führte ihn diesmal zu Dostojewskis Roman Aufzeichnungen aus einem Totenhaus, das im Milieu eines sibirischen Straflagers spielt. Janáček arbeitete direkt mit dem russischen Originaltext, aus dem er sich einzelne Passagen, Dialoge und Monologe auswählte, sie übersetzte und direkt in die Partitur übertrug. Der Grund für dieses unglaublich anspruchsvolle und konzentrierte Vorgehen lag wohl in der Befürchtung des Komponisten, das Werk nicht mehr beenden zu können. Dies führte auch zu einigen Besonderheiten im Text der Oper, unter anderem der häufigen Verwendung von Russismen. Zugleich war es eine ziemlich schnelle Arbeit - die gesamte Oper entstand zwischen Februar 1927 und Juni 1928. Dass dies Janáček viel Energie kostete, bezeugt ein Brief an seine Freundin Kamila Stösslová: "Und meine schwarze Oper gibt mir viel Arbeit. Es scheint mir, als ob ich in ihr stufenweise tiefer und tiefer schreite bis auf den Grund der elendsten Leute der Menschheit. Und es schreitet sich schwer." Im Juni war die Partitur in groben Zügen beendet und abgeschrieben. Janáček ging wie immer die Abschrift nochmals durch und nahm dabei einige Korrekturen und Ergänzungen vor allem in der Instrumentierung vor. Im Falle des ersten Akts und einem Großteil des zweiten Akts schaffte er es, diese Revision komplett abzuschließen. Im Juli 1928 fuhr er nach Hukvaldy, wo auch Kamila Stösslová zu ihm stieß. Die Abschrift vom Ende des zweiten Akts und vom dritten Akt nahm er dorthin mit, zur Revision kam es jedoch nicht mehr. Auf einem Spaziergang am 9. August erkältete er sich und sein Zustand begann sich schlagartig zu verschlimmern. Er starb drei Tage später an einer Lungenentzündung im Kleinschen Sanatorium in Ostrava.

Die Partiturhandschrift war anschließend Teil des Notarverfahrens. Im Herbst des Jahres 1929 entschied sich das Brünner Theater für die Einstudierung der Oper und beauftragte die Dirigenten und Janáček-Schüler Břetislav Bakala und Osvald Chlubna, die Instrumentierung zu vollenden. Der Regisseur Ota Zítek unternahm dramaturgisch große Eingriffe, indem er den Schluss der Oper als große Feier der Freiheit inszenierte. In dieser Form wurde die Oper am 12. April 1930 uraufgeführt. In späteren Jahren kehrten die Inszenatoren jedoch allmählich zur ursprünglichen Version Janáčeks zurück.



Inhalt der Oper

1. Akt

Die Tage im zaristischen Straflager am Irtysch vergehen einer wie der andere, schlecht und unendlich lang. Die Häftlinge erwarten einen Neuzugang, es soll ein Adliger sein. Die Wache führt Alexander Petrovič Gorjančikov herbei, der, nur weil er sich als politischer Gefangener bezeichnet, sogleich schikaniert wird. Die Gefangenen, die seine Schreie hören, sammeln sich um einen Käfig mit einem verwundeten Adler: Sie wollen wenigstens ihm die Freiheit schenken und holen ihn aus dem Käfig, aber der Adler kann nicht auffliegen. Die Rückkehr der Wache nötigt die Gefangenen, zur Zwangsarbeit zuurückzukehren, die sie sich mit Gesang und Erzählungen erträglicher machen. Luka Kuzmič erzählt sein Schicksal. Er hatte sich der militärischen Führung widersetzt und schließlich sogar seinen Major, der ihn misshandelte, dafür getötet. Unterdessen führt die Wache den zusammengeschlagenen Gorjančikov herein, der so schwach ist, dass er sich kaum auf den Beinen halten kann.

2. Akt

Das Jahr vergeht. Aljeja, ein junger Tatar, der an seine Heimat zurückdenkt, hat sich mit Gorjančikov befreundet. Anlässlich eines Feiertags wird im Gefängnis ein Fest vorbereitet, anstelle der Arbeit dürfen sich die Gefangenen ausruhen, bekommen besseres Essen und Trinken und es soll ein Theaterstück aufgeführt werden. Während der Vorbereitungen erzählt einer von ihnen - Skuratov - seine Geschichte: Er erschoss einen Deutschen, der ihm seine Geliebte abspenstig gemacht hatte. Unterdessen ist eine provisorische Bühne aufgebaut worden und das Spiel von Kedril und Juan, das die Gefangenen selbst aufführen, kann beginnen. Alle unterhalten sich gut und können für eine Weile das Elend um sie herum vergessen. Jedoch nicht für lange: Einer der Gefangenen, gehörig betrunken, verwundet Aljeja schwer.

3. Akt

Aljeja wurde ins Gefängniskrankenhaus gebracht. Dort liegt Luka Kuzmič im Sterben, er stöhnt und atmet schwer, ist aber bei Bewusstsein und lauscht der Geschichte, die der Gefangene Šiškov erzählt. Dieser kannte Akulina, ein reiches Mädchen, dessen Ehre ein gewisser Filka Morozov öffentlich schmähte. Deshalb gab man sie dem armen Šiškov zur Frau. In der Hochzeitsnacht stellte er fest, dass Akulina unschuldig ist; als aber klar wurde, dass sie Filka trotz aller Verleumdungen innig liebte, ermordete Šiškov sie aus Eifersucht. Bei den letzten Worten tut Luka seinen letzten Atemzug. Šiškov beugt sich über ihn und erkennt in ihm plötzlich Filka Morozov. Der Häftling Gorjančikov erfährt vom Kommandanten, dass er entlassen wird. Er verabschiedet sich von den Mitgefangenen, besonders von Aljeja und geht in die Freiheit hinaus. Gleichzeitig wird auch der Adler befreit, dessen Flügel verheilt ist. Für die übrigen Gefangenen geht das kummervolle Gefängnisleben weiter wie bisher.